
13. Juli 2021: Zu Gast bei den Weideschweinen
Anne Wallat und Simone Oppermann berichten von ihrem Besuch bei den Weideschweinen von Philip Noltemeyer in Wennigsen-Argestorf:
Am 01.07.2021 hatten wir Gelegenheit, uns die Weideschweine von Philip Noltemeyer anzusehen. Bauer Noltemeyer nahm sich ca. eine Stunde Zeit und zeigte uns seine Tiere und die angelegte Weide.
Die Anlage
Bislang hat Philip Noltemeyer zwei mobile Ställe errichtet, die jeweils ein großer
Weide-Auslauf sowie eine immer wieder mit Wasser aufzufüllenden Suhle verfügen. Für das Projekt wurde ein 3 Hektar großes Ackerstück mit Weidegras eingesät und mit einem festen Zaun umzäunt. Die Ausläufe sind innerhalb dieser 3 Hektar mit einem Elektrozaun zu dem Rest der Fläche abgegrenzt. Die doppelte Umzäunung ist vom Veterinäramt vorgeschrieben und schützt die Tiere vor äußeren Gefahren wie beispielsweise einer möglichen Infektion mit der Afrikanischen Schweinepest (ASP). Windschutznetze auf der Rückseite der Ställe sorgen dafür, dass ein dauerhafter Luftaustausch stattfindet, aber keine Zugluft entsteht. Die Ställe sind dick mit Stroh eingestreut und die Schweine können frei wählen, ob sie sich im eingestreuten Bereich oder aber draußen aufhalten möchten. Das Futter, das zu 80% auf den betriebseigenen Flächen angebaut wird, erhalten die Schweine über einen Futterautomaten im Stall. Die rund 15% Sojaschrot, die die erforderliche Dosis Eiweiß liefern, werden aktuell noch zugekauft, sollen aber in den nächsten Jahren durch selbst angebaute Hülsenfrüchte ersetzt werden. Die Weideschweinehaltung ist nicht bio-zertifiziert. Nach EU-Öko-Verordnung ist einem Bio-Schwein 2,5m² inklusive Auslauf bereitzustellen – bei Philip Noltemeyer beträgt der Platz pro Schwein 100mal so viel, nämlich 250m².
Die Schweine
Auf der Weide leben bisher zwei Gruppen von Schweinen der alten Hausschweinerasse Duroc. In der Scheune auf der Hofstelle lebt die dritte und jüngste Gruppe noch in einem Strohstall mit Ferkelnest und Wärmeplatte. Wenn Philip Noltemeyer die Ferkel kauft, sind sie drei Wochen alt und wurden gerade von der Mutter entwöhnt. Daher brauchen sie in der ersten Zeit noch mehr Wärme und
können nicht direkt auf die Weide.
Jede Gruppe besteht aus männlichen und weiblichen Tieren. Die männlichen Tiere werden kastriert; unter Betäubung und im Beisein eines Tierarztes, wie uns Herr Noltemeyer versichert. Die Schwänze werden bei den Weideschweinen nicht kupiert, wie es sonst als Schutz vor dem Abbeißen in konventionellen Mastställen üblich ist, da die Schweine auf der Weide genug Beschäftigung und Platz haben. Während unseres Aufenthaltes nahmen die Tiere, die ihnen zur Verfügung gestellten Annehmlichkeiten rege an: sie wühlten im Stroh, suhlten sich im Matsch, bedienten sich mit lautem Getöse am Futterautomaten oder grunzten sich gegenseitig etwas zu. Alles in Allem ein erfülltes Schweineleben, wie dem Gesichtsausdruck der Tiere zu entnehmen war.
Die Schlachtung
Die Weideschweine werden im Alter von etwa 9 Monaten – ihre Artgenossen aus den konventionellen Mastställen nach nur 6 Monaten – der Schlachtung zugeführt; die natürliche Lebenserwartung dieser Tiere liegt bei weit mehr als 10 Jahren. Die Schlachtung der Tiere erfolgt in kleinen Gruppen in einer Art Hausschlachterei, die hier im Umkreis schwerlich zu finden ist. Aus diesem Grund werden sie im Viehanhänger nach Celle transportiert. Philip Noltemeyer wird bei der Betäubung der Tiere dabei sein. So der Plan. Bislang kam es noch zu keiner Schlachtung und er selbst vermutet, dass es ihn nicht unberührt lassen wird.
Die Vermarktung
Zur Zeit entsteht neben dem Hof der Familie Noltemeyer ein Hofladen, in welchem u. a. auch das Fleisch der Weideschweine verkauft werden soll. Eine Vermarktung über den Einzelhandel kommt für Philip Noltemeyer nicht in Betracht. Zum Vergleich: 1kg Schweinefilet kostet bei ALDI rund 10€, bim Supermarkt in Bio-Qualität rund 25€ und mit Bioland-Siegel rund 40€.
Die Idee
Philip Noltemeyer hat den landwirtschaftlichen Betrieb vor 12 Jahren von seinem Vater übernommen und musste entscheiden, wie es weitergehen kann. Dem damaligen Motto „wachse oder weiche“ entsprechend, rieten ihm alle Berater zum Bau eines konventionellen Maststalls, obwohl ihm schon früh der Bau eines Außenklima-Maststalls mit Ausläufen vorschwebte. Letztendlich wurde ein konventioneller Maststall mit 1.900 Plätzen ohne Außenbereich gebaut. Letztendlich war er auch gehalten, seine Lebensgrundlage zu sichern und den Betrieb unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten zu führen.
Mit der Weideschweinhaltung hat er sich nunmehr nicht nur den Wunsch erfüllt, sondern hoffentlich auch die Grundlage für die Zukunftsfähigkeit des Betriebs gesetzt. Zur finanziellen Sicherung wird er auch weiterhin seinen konventionellem Maststall betreiben, aber er hofft, dass die Nachfrage nach Fleisch aus artgerechteren Haltungsformen steigt und er dann den konventionellen Maststall umbauen und den Schweinen dort ein Leben auf Stroh und mit Ausläufen bieten kann.
Unser Appell
Ein kleiner Teil der Bevölkerung verzichtet u. a. aus ethischen Gründen auf Fleisch, Milch und Eier. Wir wissen aber auch, dass rd. 90% der deutschen Bevölkerung nach Fleisch verlangt. Folglich besteht eine Nachfrage, die befriedigt wird. Letztlich ist bei der Haltung der sogenannten Nutztiere jedoch stets die Wirtschaftlichkeit das Maß aller Dinge und hebelt Artikel 20a Grundgesetz und § Tierschutzgesetz aus. Eine dem Staatsziel Tierschutz, dem Tierschutzgesetz und den Bedürfnissen der Tiere gerecht werdende Haltung ist beispielsweise die Weideschweinhaltung von Philip Noltemeyer.
Anne Wallat
(Mitglied Sprecherteam AK Tierschutz, Mitglied im Bürgerbündnis mensch fair tier)
Simone Oppermann
(Mitglied im AK Tierschutz, Mitglied im Bürgerbündnis mensch fair tier)